STIFTUNG GEISTLICHES LEBEN Kirche ist der Ort, wo Gotteserfahrung vertieft und immer lebendiger wird (Roger Schütz, Communauté de Taizé)
Kirche ist der Ort, wo Gotteserfahrung vertieft und immer lebendiger wird (Roger Schütz, Communauté de Taizé)

Du bist ein Gott, der mich sieht

Eine Betrachtung zum Jahreswort 2023: Du bist ein Gott, der mich sieht. (1. Mose 16,13)

Unser Horizont weitet sich, unweigerlich. Ein Wort einer ägyptischen Sklavin wird unsere Jahreslosung, ein Wort der Mutter Ismaels, auf den sich alle Muslime berufen. Also nicht nur Abraham, Sara und Isaak, sondern auch Abraham, Hagar und Ismael.

Hagar war leibeigne Magd Saras. Weil diese keine Kinder bekam, verfiel sie darauf, Hagar könnte mit Abram (später Abraham) schlafen und so ihr ein Kind gebären, eine Art Leihmutterschaft. Doch als sie schwanger wurde, begann ein Beziehungsdrama. Hagar hält es nicht mehr aus und flieht vor den Schikanen Saras in die Wüste an einen Brunnen, heimat- und schutzlos.

In diese dramatische Situation schickt Gott einen Boten. Er fragt sie woher und wohin? Sie antwortet mit ihrer Geschichte und er antwortet mit der Zusage, dass sie einen Sohn gebären wird, den sie Ismael nennen soll: Gott hört. Er hat dich in deinem Elend erhört. So soll und kann sie zurückkehren unter die demütigende Hand Saras, aber auch in den Schutz der nomadischen Familie.

Obwohl sich äußerlich nichts geändert hat, ist Hagar gestärkt und mit Zuversicht spricht sie ein Gottesbekenntnis: „Du bist ein Gott, der mich sieht“, dichter am hebräischen Text so zu übersetzen: „Du bist ein Gott des Sehens“.

Gott hört und Gott sieht. Er wacht über dem Schicksal von Abraham und Sara, über dem Schicksal von Abraham und Hagar, über Ismael und Isaak. Das erfahren wir aus der biblischen Geschichte. Gott ist ein Gott, der auch von mir weiß und mich sieht, so wie er von allen Menschen weiß und sie sieht.

Allein das zu wissen, gibt Mut und Zuversicht für das eigene Leben, aber auch Mut und Zuversicht in den nicht enden wollenden Nöten unserer Welt, Mut und Zuversicht für alle Menschen.

Christian Stawenow, Erfurt